Wenn am letzten Tag das Licht ausgeht, kann hoffentlich jeder auf seinen Nachbarn zählen …
Völlige Dunkelheit. Klangkulisse. Plötzlich beginnt sich auf der Bühne etwas zu regen. Erst klein und zart, dann immer heftiger. Man erkennt einen menschlichen Körper, umgeben von einer Plastikhülle. Sofort kommt einem ein Fötus im schützenden Mutterleib in den Sinn. Der Körper versucht sich zu befreien, immer energischer. Letzten Endes schafft er es. Doch die Welt um ihn erschreckt ihn. Sehr zaghaft und ängstlich wagt er erste Blicke, erste unbeholfene Schritte, bis er sich aufrichten kann und diese Welt betrachtet.
Prometheus gilt in der griechischen Mythologie als Freund der Menschheit und Kulturstifter, er formte die Menschen aus Lehm, machte sie zu dem, was sie sind und brachte ihnen das Feuer. Zeus bestrafte ihn dafür, indem er ihn an einen Felsen im Kaukasus kettete. Jeden Tag kommt ein Adler und frisst seine Leber, die sich zu seiner Qual immer wieder erneuert – ein Leid, das kein Ende findet und bis in alle Ewigkeit andauern soll. Prometheus ist also auch heute noch irgendwo im Mittleren Osten angekettet, beobachtet an ihm vorbei gleitende Flugzeuge und lässt sich vom Adler berichten, was sich in der Welt der Menschen so tut.
Prometheus’ Erbe (Monika Zöhrer, Klaus Seewald, Eva Wallensteiner) ist ein Schauspiel der besonderen Art, es ist nicht nur Theater, es ist auch Tanz und Performance. Was mit nur etwas Plastikfolie, dezenter Lichttechnik und Klangkulisse so alles möglich ist, vermag man sich zuvor erst gar nicht vorzustellen. Gemeinsam mit dem Bewegungs- und Ausdruckstalent Klaus Seewald ergeben sich so beeindruckende und teils auch sehr bizarre sowie verstörende Bilder.
Im Stück geht es nicht nur um die heutige Sicht auf den Prometheus-Mythos, es stellt v.a. eine radikale Art des Kulturpessimismus dar. Prometheus brachte uns das Feuer, doch was haben wir daraus gemacht? Das Publikum findet sich plötzlich selbst auf der Bühne wieder, indem es eine Führung durch die Prometho-Cooperation erhält – absolut entzückend und mit viel Charme und Humor wird diese Firma durch Lego-Figuren dargestellt -, ein Betrieb, der Menschen im Glas erzeugt. Wir werden nicht mehr geboren, sondern „entkorkt“, die soziale Stellung wird bereits vorab bestimmt und mitgeliefert. Wie das gehen soll? Die unteren Kasten landen in der Zentrifuge und erhalten einfach etwas weniger Sauerstoff. Klingt nach weit entfernter, pervertierter Science Fiction-Story … Aber wie weit entfernt ist diese Zukunft tatsächlich noch?
Das Theater Feuerblau beschäftigt sich in seiner aktuellen Produktion Prometheus’ Erbe mit grundlegenden Fragen der Menschheit, wie Geburt und Tod, gibt es ein Jenseits – glaube ICH an ein Jenseits? Gibt es noch Hoffnung oder haben wir sie bereits aufgebraucht? Versuchen wir überhaupt noch als Individuen aufzutreten und für Ideale einzustehen, oder lassen wir uns nur noch vom Strom treiben, um darin langsam unterzugehen?
Klaus Seewalds unglaubliche Körperbeherrschung und beeindruckendes mimisches Spiel scheinen grenzenlos zu sein, man könnte ihm wohl stundenlang zusehen. So vergeht die Zeit wie im Flug, und Prometheus’ Erbe ist schneller vorbei als man es sich denkt und erwartet, jedoch bleibt es noch lange im Kopf und wirkt nach / regt noch lange zum Nachdenken an.
Kulturreferat der ÖH Uni Graz, Silvia Madl